Rückblick auf das Velojahr 2022
Rückblick auf das Vereinsjahr von Pro Velo Kanton Zürich.
Im vergangenen Jahr gab es erneut viel Arbeit für Pro Velo, einige Erfolge sowie einen renommierten Mobilitätspreis – ein Rückblick mit Ausblick.
2022 war in Stadt und Kanton Zürich ein gutes Jahr für das Velo: Das Tiefbauamt der Stadt Zürich hat im September mit dem Bau des Velotunnels unter dem HB begonnen. Zur Erinnerung: Die Idee für die Umnutzung des Tunnels ging auf eine Petition von Pro Velo im Jahr 2011 zurück. Zudem hat Pro Velo auf zwei städtische Einsprachen aus dem Jahr 2021 recht bekommen: Auf der Rautistrasse im Kreis 9 erhalten wir einen breiten Radstreifen am Rand statt zwischen zwei Autospuren. Auf der Hagenholzstrasse im Kreis 11 wird der Lkw-Parkplatz zugunsten eines Radstreifens aufgehoben.
Aufgehobene Parkplätze
Positiv zu bewerten ist auch der zügige Abbau von Parkplätzen zugunsten von Grün-, Fuss- und Veloverkehrsflächen: Leider kann die Stadt die Zahl noch nicht kommunizieren, aber es dürften einige sein. Ebenso unzögerlich geht die Stadt bei der Schaffung von neuen Veloabstellflächen vor: Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 335 neue Veloparkplätze geschaffen.
So soll der Velotunntel unter dem HB Zürich dereinst aussehen.
Fortschritte in Winti
In Winterthur macht die Stadt vorwärts mit Planung und Umsetzung der Veloschnellrouten. In den Quartieren Töss und Oberwinterthur wurden erste Streckenabschnitte mit einem durchgehenden roten Belag versehen. Ein grosser Schritt ist die abgeschlossene und dank Ausbleiben von Rekursen schrittweise umsetzbare erste Veloschnellroute vom Stadtzentrum bis an den Stadtrand in Töss. Die Route wird vor allem mit einfachen Signalisationen und Markierungen gekennzeichnet. Rote Farbbänder am Fahrbahnrand verdeutlichen den Verlauf der Strecke. An den meisten Verzweigungen wird der Rechtsvortritt zugunsten der Veloachse aufgehoben.
Konstruktive Gespräche
Auf Kantonsebene hat die Einsprache Gossau/Grütistrasse zu Gesprächen und schliesslich zu einer Einigung geführt. Hier wollten die Verkehrsplanenden eine Veloumfahrung beim Kreisel aufheben. Gemeinsam konnte eine velofreundliche Lösung gefunden werden. Allgemein ist zu begrüssen, dass Einsprachen beim Kanton meist zu Gesprächen und entsprechenden Projektanpassungen führen. Erfreulich sind auch die neuen Velostandards vom Kanton, die 2023 neu und vollständig publiziert werden, aber bereits im vergangenen Jahr in den Projekten erkennbar waren.
Renommierter Preis
Last but not least wurde der VelObserver mit dem «Deutschen Mobilitätspreis» des Bundesministeriums für Verkehr und Digitales in Berlin in der Kategorie «International» ausgezeichnet. Auf der Plattform können Velofahrende Radwege in der Stadt Zürich bewerten. So trägt der VelObserver dazu bei, die Sicherheit für Velofahrende zu erhöhen und das Velonetz auszubauen. Das Projekt geht auf eine Initiative von Posmo, einer Datengenossenschaft für nachhaltige Mobilität, zurück. Vonseiten Pro Velo hat vor allem Präsident Res Marti viel Energie in das Tool investiert, alles in seiner Freizeit!
Ein bedenklicher Trend: Es werden vermehrt Begegnungszonen auf Velovorzugsrouten ausgeschrieben.
Nicht alles läuft rund
Über den Daumen gepeilt, legt die Stadt Zürich nach wie vor 50 zu 50 gute wie auch schlechte Projekte auf. Und leider ist die grosse Veränderung, die wir uns mit der neuen Tiefbauvorsteherin Simone Brander erhofft hatten, noch nicht sichtbar. Allerdings wurden 2022 ausschliesslich Projekte umgesetzt, die noch vom Vorgänger Richard Wolff abgesegnet worden waren.
Klar zu bemängeln ist, dass es der Stadt nach wie vor an verbindlichen Vorstellungen fehlt, wie die Velovorzugsrouten konkret umgesetzt werden sollen. Das hat zu vielen Einwendungen bei bestehenden Strassenbauprojekten geführt. Insbesondere bei Kreuzungen von zweierlei Velovorzugsrouten (etwa Röslistrasse/Scheuchzerstrasse) ist von der Stadt keine klare Haltung erkennbar. Unklar ist, wie die Zeile «grundsätzlich frei vom motorisierten Individualverkehr» zu den Veloschnellrouten in der Gemeindeordnung auszulegen ist. So werden die Velovorzugsrouten immer noch zu zögerlich effektiv autofrei gestaltet. Zum Teil fehlen gänzlich Massnahmen in diese Richtung.
Fehlende Priorisierung
Zu schaffen macht uns auch die Auflage von Kreiselprojekten in der Stadt Zürich, insbesondere weil sie wichtige Veloverbindungen tangieren. Bedenklich ist zudem, dass vermehrt Begegnungszonen auf Velovorzugsrouten ausgeschrieben werden, etwa auf der Heinrichstrasse. Auch hier fehlt eine klare Haltung zur Priorisierung des Veloverkehrs auf den Vorzugsrouten.
Der bedauerliche Trend, auf wichtigen Velorouten Begegnungszonen auszuschreiben, ist leider auch in Winterthur Tatsache. Oft geschieht dies in Bereichen, die erheblichen Veloverkehr, aber fast keine Fussverkehrsfrequenzen aufweisen. Besonders schikanös sind Begegnungszonen, die zur Sichtbarmachung zusätzlich angehoben werden. Damit ergeben sich für den Veloverkehr störende und manchmal gefährliche Anrampungen.
Missachten der Normen
Allgemein weisen die Strassenbau- und Sanierungsprojekte des Tiefbauamts der Stadt Winterthur einen sehr heterogenen Qualitätslevel auf. Mit Einwendungen und Einsprachen gelingt es zwar immer wieder, Detailverbesserungen auszuhandeln. Bei vielen Projektplanungen werden die diversen Richtlinien und Normen für den Veloverkehr nicht beachtet. Die Projektverantwortlichen setzen sich nicht einmal damit auseinander und verweigern eine nachvollziehbare Interessenabwägung. Wie unsere Erfahrung zeigt, führt dieses Verhalten zu neu gebauten Schwachstellen im Velonetz, die später wieder aufwendig korrigiert werden müssen.
Grosse Bestürzung
Einen tiefschwarzen Schatten in der Stadt Zürich warfen die beiden schweren Velounfälle im Herbst. Bei beiden Unfällen handelte es sich um Situationen mit Rechtsabbiegen von grossen Fahrzeugen. Einer davon endete für die betroffene Velofahrerin tödlich. Im laufenden Jahr wollen wir diesbezüglich mehr Aufklärung betreiben, etwa mit einem Video. Zudem fordern wir Massnahmen wie etwa Rechtsabbiegeverbote für Lkws oder Vorgrün, das den Velofahrenden am Lichtsignal einen Start vor dem motorisierten Verkehr erlaubt.
Ausblick ins laufende Jahr
Der Schwerpunkt in der Stadt Zürich ist und bleibt die Umsetzung der Velorouten-Initiative. Hier erwarten wir einen klaren Entscheid vom Stadthalteramt, der aufzeigt, wie die Stadt den Text der Initiative zu interpretieren hat. Zur Erinnerung: Die mit 70,5 Prozent Ja-Stimmen angenommene Initiative sieht Velovorzugsrouten vor, die «grundsätzlich frei vom motorisierten Individualverkehr» sein sollen. 2023 will die Stadt zudem neue Velostandards veröffentlich. Wir werden darüber wachen, dass diese auch wirklich auf die Strasse kommen. Beschäftigen wird uns sicher auch Tempo 30 beziehungsweise die Verhinderungsinitiative der SVP, die wir mit allen Kräften bekämpfen werden.
Die Oktober-CM gedenkt der verstorbenen Velofahrerin an der Ecke Badener-/Seebahnstrasse.