Kommt das an der Langstrasse gut fürs Velo?
Was lange währt, wird endlich gut?
Velofahrende dürfen die Langstrasse nun endlich legal in beide Richtungen befahren. Pro Velo Zürich hat diese wichtige Veränderung vor 20 Jahren angestossen – was wir vom Ergebnis halten.
Bei (fast) jedem Strassenbauprojekt in der Stadt Zürich, möchten viele mitreden und jede und jeder hat nach der Umsetzung eine Meinung. Das Paradebeispiel dafür ist wohl die Langstrasse. Pro Velo Kanton Zürich hat die Veränderung 2003 durch die Petition und Motion «velofreundliche Langstrasse» angestossen. Nach 20 Jahren (!) hat die Stadt das Projekt nun endlich umgesetzt – unter dem Titel «autoarme Langstrasse».
Teilweise ist velofreundlich und autoarm tatsächlich gelungen: Ausserhalb der Stosszeiten lässt es sich im Kreis 4 entspannt durch die Langstrasse pedalieren. Ein leises Surren der Ketten, fröhliche Gesichter und viele Velofahrende. Möglich ist das dank einem Fahrverbot auf 50 Metern. Denn nur dank des Verbots für den motorisierten Individualverkehr (MIV) konnte die Busspur abgebaut werden – und nur darum kann die Langstrasse nun von Velofahrenden legal in beide Richtungen befahren werden.
Kommt das gut an der Langstrasse?
Dass die freie Durchfahrt gut genutzt wird, war zu erwarten: Die Zählstelle bei der Langstrassenunterführung weist jeweils die stadtweit höchsten Velofrequenzen auf. Vorhersehbar war aber auch, dass das neue Verkehrsregime nicht auf Anhieb funktioniert. Viele Autofahrende übersehen das Fahrverbot. Oder verstehen es nicht, weil es nur von 5.30 bis 22 Uhr gilt. Am Rotlicht bilden sich darum in den Stosszeiten oft lange Autokolonnen.
Seit dem 8. Januar 2024 wird das Fahrverbot an der Langstrasse zwischen der Brauer- und der Dienerstrasse mit einer automatischen Zufahrtskontrolle umgesetzt. Im ersten Monat wurden 17`310 Bussen ausgesprochen. Damit zeigt sich, wie oft das Gesetz hier gebrochen wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Bussen ihre Wirkung entfalten und die Autofahrenden sich so an das neue Regime anpassen.
Auf Höhe Helvetiaplatz infomiert derzeit ein mobiles Schild über das Fahrverbot.
Einmal mehr ein Murks
Die Begründung der Stadt für die Aufhebung des Fahrverbots in der Nacht: Damit werde die soziale Sicherheit erhöht, was den Anwohnenden in der ganzen Kompromissfindung ein Anliegen gewesen sei. Ob die nun mit Autos in beide Richtungen zugestellte Langstrasse wirklich die Absicht war, wagen wir zu bezweifeln – und dass Autos irgendeine Form von Sicherheit erhöhen, sowieso.
Ein grosser Wurf ist dieser langwierige Kompromiss also nicht. Einmal mehr wollte man es allen recht machen, insbesondere dem Kanton und seinen Autofreunden. Gefunden hat man einen Mittelweg, den viele als Murks empfinden.
Fest steht: Für die Verkehrswende müssen Strassen definitiv konsequenter fürs Auto gesperrt werden können. Es braucht mehr Raum für Menschen auf Velos und zu Fuss sowie für den ÖV. Aber Pro Velo ist gnädig und hat einen langen Atem. Insofern pedallieren wir nun freudig legal in beide Richtungen und wissen: Wir werden täglich mehr und es geht in die richtige Richtung.
Die lange Geschichte der Langstrasse: Hier zur Chronik der berühmt berüchtigen Strasse aus der Veloperspektive.
Trackbacks/Pingbacks