Velofahren in Zürich ist doppelt so gefährlich wie in Bern.
Velofahren in Zürich ist doppelt so gefährlich wie in Bern. Das ist das erschreckende Fazit einer ETH-Masterarbeit.
Als Philippe Hirsiger vor drei Jahren für sein Studium von Bern nach Zürich zog, fühlte sich Velofahren für ihn so anders an als zu Hause:
«In Zürich habe ich das Gefühl, ich müsse immer mit beiden Ellenbogen draussen auf dem Velo sitzen.» Der Verkehr fühle sich irgendwie intensiver und teilweise auch hektischer an.
Diesem Unbehagen ging der Student in seiner Masterarbeit nach, die er am Institut für Bau- und Infrastrukturmanagement schrieb. Der 27-Jährige vergleicht darin das Velounfallgeschehen in den Städten Bern und Zürich.
Das Unfallrisiko für Velofahrende berechnet
Als Datengrundlage dienten Hirsiger die Mikrozensusdaten «Mobilität und Verkehr» und die Bevölkerungsdaten vom Bundesamt für Statistik sowie die Unfalldaten des Bundesamts für Strassen. Daraus errechnete er die Unfallwahrscheinlichkeit pro Million Velokilometer. Sein Fazit ist erschreckend: Das Unfallrisiko für Velofahrende in Zürich ist seit einigen Jahren doppelt so gross wie in Bern.
Im Längsschnitt zeigt sich, dass dies bereits Anfang der 90er-Jahre so war, es allerdings ab Mitte der Dekade zu einer Annäherung kam: So war das Unfallrisiko in Zürich und in Bern in den Jahren 1995 bis 2007 gleich hoch. Danach allerdings stieg es in Zürich wieder an, während es in Bern sank. Interessanterweise ist das Velounfallrisiko in beiden Städten über die letzten Jahre konstant geblieben, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Dies bedeutet: Weder in Bern noch in Zürich wird das Velofahren sicherer.
Was macht den Unterschied?
Der Unterschied hinsichtlich des Velounfallrisikos basiert hauptsächlich auf einem Risikounterschied zwischen den folgenden vier Unfalltypen: Parkierunfall, Fussgängerunfall, Überqueren der Fahrbahn sowie Schleuder- oder Selbstunfall.
Dabei ist der Unterschied bei den Schleuder- oder Selbstunfällen für über 60 Prozent des Risikounterschiedes zwischen Bern und Zürich verantwortlich. Schleuder- oder Selbstunfälle haben in beiden Städten hauptsächlich drei Ursachen: 2019 war in Zürich in rund 40 Prozent aller Fälle Unaufmerksamkeit massgebend für einen Schleuder- oder Selbstunfall, und in je 20 Prozent der Fälle waren entweder Alkohol oder eine Tramschiene involviert. In Bern gibt es pro Jahr grössere Schwankungen bei den Unfallursachen. Dies erklärt sich mit der kleineren Anzahl an Velounfällen. Im Schnitt ist sowohl in Zürich als auch in Bern die allgemeine Unaufmerksamkeit die häufigste Ursache für einen Schleuder- oder Selbstunfall.
Was macht Zürich so gefährlich?
Was aber sind die Gründe für das doppelt so grosse Unfallrisiko in Zürich? «Diese Frage lässt sich anhand meiner Arbeit leider nicht eindeutig beantworten», sagt Hirsiger. Theoretisch könnte es sein, dass Velofahrende in der Partystadt Zürich öfters betrunken Velo fahren oder dass sie ungeschickter oder risikobereiter unterwegs seien als die Berner. Er persönlich glaube hingegen, dass die Gründe für die Unterschiede vor allem in der Infrastruktur und in der Verkehrsführung zu suchen seien, zumal es zahlreiche Indizien dafür gebe, die in diese Richtung weisen würden.
In Bezug auf die Schleuder- oder Selbstunfälle müsste man etwa untersuchen, ob die Infrastruktur in Zürich vielleicht einfach weniger fehlerverzeihend sei als jene in Bern – etwa weil der Platz knapp oder die Führung verwirrend ist.
Ich fahre seit 64 Jahren Rad in Zürich, kein Auto, fühle mich wohl. Für das Velofahren ist
Viel getan worden, aufpassen muss man halt nach wie vor.
Das freut uns. Sie sind ein geübter und sicherlich auch ein mutiger Velofahrender. Wir – und übrigens auch die Stadt – haben uns zum Ziel gesetzt, dass die Veloinfrastruktur in Zürich so gut werden soll, dass sich alle Menschen zwischen 8 und 80 Jahren darauf genügend sicher fühlen. Denn nur so können wir mehr Menschen dazu bewegen, Velo zu fahren.