Indian Summer am Irchel
Mit dem Velo rund um den Irchel ist vor allem im Herbst eine Augenweide.
Die Wälder leuchten in allen Farben! Zum Baden ist es dann natürlich zu kalt, aber dafür wird man mit Most frisch ab Presse entschädigt.
Im Gegensatz zum Sommer hat uns der Herbst mit diversen Gelegenheiten verwöhnt, raus zu gehen, aufs Velo zu sitzen und durch die Landschaft zu radeln. Auch wir nutzten eine dieser Gelegenheiten und gingen raus und setzten uns aufs Velo und radelten durch die Landschaft. Natürlich erst nach sorgfältiger Planung, und was wäre da nicht praktischer als der Velotourenführer der Pro Velo? Eben, nichts.
Velofahrt Richtung Schloss Wart
Eine passende Tour ist auch schon bald gefunden und findet Zustimmung bei allen Beteiligten. Und so verladen wir am nächsten Tag die Velos in die S 12, lassen schon bald den Nebel hinter uns und fahren in Winterthur der Wartstrasse entlang gen Nordwesten, der Töss entlang durch Wülflingen und vorbei an Neftenbach. Um diese Zeit ist es noch empfindlich kühl und wir sind froh, dass die Sonne scheint und etwas wärmt. Das Kälteproblem erledigt sich schon bald, nämlich bei der ersten, wenn auch kleinen Steigung hinauf zum Schloss Wart. So klein die Steigung auch war so genügte sie doch, den ersten Unmut bei den Jünglingen hervorzurufen. Und leider haben es die Strassenbauer auch versäumt, die Strasse nach Teufen exakt der Höhenkurve entlang zu planen, weshalb immer wieder auf die Idioten geschimpft wird, «die zu blöd sind, eine gerade Strasse zu bauen».
Znünipause bei der Burgruine Freienstein
Aber trotz des Gemotzes bleibt genügend Kraft, die anstehenden Steigungen zu bewältigen und deshalb erreichen wir schon bald die Burgruine Freienstein. Die bietet nicht nur einen perfekten Platz für eine Znünipause, sondern auch eine grandiose Aussicht. Überhaupt ist die Optik vom Feinsten: Die Wiesen sind sattgrün, die Wälder leuchten in allen Farben und darüber wölbt sich ein azurblauer Himmel, der nur ab und zu von einem Kondensstreifen unterbrochen wird.
Was ist der blaue Strich auf der Karte?
Aber auch die schönste Pause muss einmal enden und so sitzen wir schon bald wieder im Sattel und strampeln weiter. Rauf und runter geht es zwar im Moment nicht, dafür wird der Umstand, dass wir nicht direkt der Töss folgen, mit Unmut quittiert.
«Auf der Karte im Tourenführer folgt die Velotour direkt dem Fluss», heisst es von der Frau Gemahlin.
«Äh, nein, sorry, der blaue Strich ist in diesem Fall eben nicht ein Gewässer, sondern die Veloland-Route Nummer 53.”
“Mist. Wenn ich das gewusst hätte, wären wir woanders lang gefahren.”
«Tja. Wäre, hätte, Fahrradkette» kann ich mir gerade noch verkneifen zu sagen.
Frischer Most direkt vom Hofladen
Nach Teufen folgt die Veloroute der kurvigen Kantonsstrasse, stetig leicht hinauf durch den Wald. Auch hier ist es nicht weit her mit der Nähe zum Fluss. Immerhin gibt es einige schöne Ausblicke hinunter auf den Rhein und den Buchberg. Aber dann sind wir in Berg am Irchel und ab hier geht es nicht nur bergab, sondern ziemlich direkt zur Thur, also ans Wasser. Und einen Hofladen mit leckerem, frischem Most in dickbauchigen Chiantiflaschen entdecken wir erst noch. In Hochstimmung und mit einer fast vollen Flasche Most in der Packtasche düsen wir runter nach Flaach und quer hindurch in Richtung Thur, zwischen Spargelfeldern und Hündelern auf dem Spaziergang.
Picknick an der Thur
Bis zur Thur ist es nicht weit, aber als wir sie erreichen ist zuerst einmal die Enttäuschung ziemlich gross. Die Thur fliesst zwar dahin, wie man das von einem Fluss erwartet, anstatt schöne Picknickstellen wo man ein Feuer machen und eine Wurst bräteln kann entdecken wir jedoch überall nur Verbotsschilder, Bauabschrankungen und schwere Tiefbaumaschinen. Ein grosses Plakat klärt wenigstens auf, was es damit auf sich hat: Der Kanton arbeitet hier am zweiten Abschnitt seines grössten Naturschutzprojekts, der Renaturierung der Thur.
Mit einigem Glück finden wir einen schmalen Pfad, der zum Fluss führt, müssen dazu aber unsere Velos zwischen einigen Steinbrocken durchzwängen. Dabei geschieht das wohl Unvermeidliche: Ich passe nicht auf, denke an nichts Böses, oder eher an gar nichts und erst als ein sattes «Klonk!» mein Ohr erreicht erinnere ich mich an die Mostflasche in der Velotasche. Der Most ist futsch, unsere Jacken zwar nicht, aber immerhin triefend nass und klebrig und Ärger und Enttäuschung sind gross. Wenigstens ist den Cervelats nichts passiert und eine Feuerstelle finden wir auch.
Fakten zur Tour
- Distanz: ca. 35 km, alles geteert
- Höhendifferenz: ca. 200
- Verpflegung: Zahlreiche Restaurants, einige Besenbeizen und diverse Hoflädeli an der Strecke.
Wo geht’s auf unserer Velotour hin?
Eine Wurst und eine knappe Stunde später sitzen wir wieder im Sattel und rollen nach Norden, Richtung Rheinau. Dabei gibt es noch eine kurze Aufregung, als ein Reh nur wenige Meter vor uns über die Strasse rennt. Ein Besuch der Klosterinsel Rheinau wird aus topografischen Gründen abgelehnt («wenn’s runter geht, gehts nachher auch wieder rauf»), ebenso ein Abstecher zum Rheinfall («zu weit») und deshalb fahren wir auf geradem, wenn auch nicht flachem, Weg nach Marthalen. Allerdings nicht wie geplant direkt zum Bahnhof, denn mitten im wunderschönen Dorfkern mit seinen Fachwerkbauten biegen wir rechts statt links ab und finden erst dank Hilfe freundlicher und hilfsbereiter (wenn auch reichlich amüsierter) Einheimischen den Weg zum Bahnhof.
Im Nu zurück in Zürich
Dort gibt es dann zwar kein Glace, weil die Eistruhe Ende Oktober nur noch Restbestände enthält, aber immerhin ein kühles Erfrischungsgetränk, sodass wir zufrieden in den Zug nach Winterthur steigen. Einmal mehr müssen wir feststellen, dass die Thurbo im Vergleich zur SBB das deutlich bessere Rollmaterial hat, vor allem, wenn man mit dem Velo unterwegs ist. Aber auch davon lassen wir uns kleinkriegen und sind im Nu zurück in Zürich.