Mit dem Velo auf der Winterthour
Nicht nur in, sondern auch um Winterthur herum lässt sich trefflich Velo fahren.
Städtische Agglomeration und unverbaute Natur wechseln sich dabei in kurzen Abständen ab.
Bei der Präsentation des neuen Velotourenführers «Schaffhausen – Winterthur» von Pro Velo diesen Frühling war ich dabei; die wollte ich nicht verpassen. Noch grösser wurde meine Begeisterung als ich sah, dass der Promotionsfilm die Landschaft zwischen Schaffhausen und Winterthur von einem Liegerad aus zeigte! Das hat mich als Liegeradfahrerin natürlich besonders angesprochen.
Als ich dann endlich nach wochenlangem Regenwetter selber auf den Sattel stieg, habe ich mich dann doch für mein «normales» Velo entschieden. Einerseits weil die Winterthour 530 Höhenmeter aufweist und mein Liegerad sich weniger eignet um Höhendifferenzen zu überwinden, andererseits auch weil meine holländischen Beine zwar Jahrzehnte lang trainiert worden sind aber in dieser Zeit kaum mehr als Deiche oder Brücken erklimmen mussten.
Veloroute rund um Winterthur
Die Winterthour also, ein Homerun rund um meine Heimatstadt. Als Bewohnerin von Oberwinterthur fängt meine Runde mit der Veloland-Route 60 Richtung Wiesendangen an. Als erstes fällt mir auch, wie gut VelofahrerInnen in der Stadt behandelt werden. Die neue Lichtsignalanlage Stadler-Frauenfelderstrasse ist auch für Velofahrer komfortabel gestaltet. Dann entscheide ich mich spontan gegen die Route 60 und fahre lieber geradeaus weiter über die Frauenfelderstrasse, rein aus Vergnügen über die Schönheit der Allee. Bei Wiesendangen quere ich dann Bahn, Autobahn, Autobahnzubringer und eine Baustelle (bis September wird die Brücke über die Frauenfelderstrasse instand gesetzt) und komme alsbald ins Grüne.
Die ersten Highlights auf der Route
Das erste Highlight ist die Mörsburg, mit ihren fünf Meter dicken Mauern sehr eindrucksvoll. Leider ist die Aussicht von Bäumen verstellt. Dann geht es weiter über den schönsten Abschnitt, wie es der Tourenführer verspricht. In der sanften Hügellandschaft unterm weiten Himmel liegen immer wieder vereinzelte Bauernhöfe und kleine Dörfer idyllisch in die Landschaft eingebettet. Ab Hettlingen folge ich der Veloland Route 86, durch das Zentrum, über die vor fünf Jahre neu als Begegnungszone gestaltete Stationsstrasse. Die Architektur der teilweise denkmalgeschützten Bauten kommt durch die aufgewertetem und vergrössertem Hausvorplätze schön zur Geltung. Weil man jetzt der Route 86 folgt ist es einfach, den Weg zu finden, man fährt einfach der Beschilderung nach.
Vorbei am Schlösschen Wart auf der Veloroute 60
In Riet gibt es dann eine äusserst komfortabele Infrastruktur, so wünscht man sich Veloinfrastruktur! Entlang dem Näfbach, wo Wanderer auf der einen Seite und Velofahrer auf der anderen Seite geführt werden, fahre ich nach Neftenbach. Immer noch den Veloland-Wegweisern folgend, aber jetzt denjenigen der Veloland Route 60, radele ich inzwischen langsam aus dem Tal hoch durch die Weinreben. Hinter einer Kurve kommt auf einmal das Schlösschen Wart in Sicht. Wie aus einem amerikanischen Filmset scheint es hier gelandet zu sein. Kurz darauf die nächste Überraschung: Schottische Hochlandrinder mit ihrer langen Haartracht und riesigen Hörnern liegen gerade neben der Strasse im Schatten und versuchen, sich der Fliegen zu erwehren.
Fahrt durch das Tösstal
Ein letztes Mal geniesse ich die weite Aussicht übers Tösstal bevor es steil nach unten geht, ins Tal und in die Verstädterung hinein. Schnell durchquere ich Pfungen und steige mit einiger Mühe auf der anderen Seite des Tösstals wieder hoch. Der hässliche Abschnitt ist aber nur kurz und bald ist man wieder im schönen Teil des Dorfs. Entspannt fahre ich am Schwimmbad vorbei ins Rumstal hinein. Hier ist die Landschaft wesentlich anders als bis jetzt. Die Hänge sind steiler und näher als auf der anderen Seite der Töss, der Raum geschlossener, die Weiler kleiner. Gäbe es nicht die vielen Stromleitungen und Flugzeuge, würde man sich im Jahr 1900 glauben. Ich geniesse die Ruhe und Isolation bis mir kurz vor Dättnau die Linie 5 des Stadtbus entgegen kommt. Hier ist der Ausbau Winterthurs voll im Gang.
Beliebte Veloroute an der Töss
Erneut geht es runter ins Tösstal und wiederum ein kurzer, nicht ländlicher Abschnitt entlang der Autobahn diesmal. So bald man diese aber gequert hat und den südlichsten Zipfel von Winterthur hinter sich gelassen hat, befindet man sich wieder im Grünen, im Wald. Auch wenn auf der einen Seite die Tössemer Freizeitanlagen sind mit Fussballfeldern, Grillplätzen und Püntenareal entspannt die feuchte, kühle Waldluft bald. Jetzt geht es schön flach der Töss entlang, eine beliebte Veloroute, vor allem am Sonntagnachmittag. Ganze Familien kommen mir entgegen, am Ufer wird grilliert und gebadet.
Tipp
Die Orientierung war nicht überall leicht, zum Glück hatte ich die Wanderkarte 1: 25.000 dabei.
Herausgeber: Zürcher Wanderwege, Blatt Winterthur, mittleres Tösstal.
Aussicht auf die Alpen und eine steile Abfahrt
Die Kyburg lasse ich rechts liegen, der Aufstieg ist mir zu steil. Die Holzbrücke aus 1846 ist aber wunderschön und ich mache eine kurze Pause. Nebenan liegt ein Kanal welcher dunkelgrün in der Tiefe schimmert. Schnell und volkommen lautlos fliesst das Wasser hindurch. Zwischen Sennhof und Kollbrunn öffnet sich das Tösstal, ich fahre aus dem Wald und die Route führt zwischen Wiesen entlang von Bauernhöfen. Jetzt führt die Wintertour aus dem Tösstal hinaus, wieder in die Höhe. Über Iberg nach Thaa hat man eine schöne Aussicht auf Winterthur.
Mittlerweile ist es gegen sechs Uhr und mit dem Duft von Pfannkuchen in der Nase steige ich weiter bis Eidberg. Dann verfahre ich mich und auf dem Rütibüel, auf 628 über dem Meer geniesse ich zuerst mal die Aussicht auf die Alpenkette und orientiere mich neu. Vorbei an Ricketwil geht es nach Räterschen. Da folgt wieder eine steile Fahrt hinunter Richtung Eulachtal. Anschliessend geht es wieder bergaufwärts bis nach Elsau. Entlang der Rückseite des Dorfes sieht man die «Befestigungen» des 21. Jahrhunderts: Die Häuser sind Richtung Dorf orientiert, während die Erschliessung für Autos über die Durchgangsstrasse organisiert ist.
Wiesendangen – ein Dorf mit Geschichte
Einen letzten Hügel gilt es zu erklimmen und dann bin ich in wieder zurück Wiesendangen. Ich geniesse das gut erhaltene Dorf mit seinen vielen Bauten aus dem 17. Jahrhundert, das zudem mit passender moderner Architektur ergänzt worden ist. Die Gestaltung des Dorfbachs als grünes Band in der Mitte der Ortschaft ist gut gelungen, im Schlossturm aus dem 12. Jahrhundert befindet sich heute das Ortsmuseum. Am Fuss des Orbüels radle ich zufrieden dem Flugplatz Hegmatten entlang nach Hause.
Idyllisches Grün und ewige Baustellen
Die Umgebung von Winterthur ist recht Grün, kleine Weiler liegen idyllisch in der Landschaft. Aber gleichzeitig sieht man, dass überall gebaut wird und die Stadt die Landschaft zu überwuchern droht. Manchmal hatte ich dann auch das Gefühl in «Alle Jahre wieder saust der Presslufthammer nieder. Oder: Die Veränderung der Landschaft» zu radeln.