Die ETH denkt Verkehr neu

Die ETH denkt Verkehr neu

Das Forschungsprojekt «E-Bike-City»

Was wäre, wenn Velofahrende künftig die Hälfte des Strassenraums bekämen? Das ETH-Projekt «E-Bike-City» stellt eine mutige Frage und liefert spannende Antworten.

Stell dir vor, du fährst auf einem breiten, rot eingefärbten Veloweg durch die Stadt Zürich, problemlos und konfliktfrei – fast ohne Begegnung mit dem Autoverkehr. Du bist nicht allein: Viele nutzen das Velo, E-Bike oder Cargovelo für Alltagswege – weil es einfach, schnell und bequem ist.

Diese Vorstellung ist der Ausgangspunkt des ETH-Leuchtturmprojekts «E-Bike-City». Neun Lehrstühle haben sich mit der Fragestellung befasst: Was wäre, wenn 50 Prozent des städtischen Strassenraums künftig für Zufussgehende, Velofahrende, E-Bikes und andere Mikromobilität reserviert wäre? Und davon abgeleitet weitere Fragen gestellt: Wie würden sich die Emissionen reduzieren? Wie stünde es mit der gesellschaftlichen Akzeptanz? Und was wären die Auswirkungen auf das übrige Verkehrssystem – insbesondere den motorisierten Individualverkehr (MIV) und den öffentlichen Verkehr?

Was wäre, wenn?

Ein interdisziplinäres Team aus über zwei Dutzend Forschenden hat sich diesen Fragen gewidmet und in zehn Teilprojekten verschiedene Aspekte urbaner Mobilität untersucht. Besonders wegweisend: ein neu entwickeltes Modellierungs-Tool, das den Strassenraum auf Netzebene neu aufteilt. Dabei bleibt die Erschliessung für den MIV erhalten, allerdings meist als Einbahnnetz. Die gewonnene Fläche kommt dem Velo und dem öffentlichen Verkehr zugute. Für Zürich bedeutet das: halbierte Fahrspuren, zwei Drittel weniger Strassenparkplätze – und damit fast 50 Prozent Verkehrsfläche für Velowege und nachhaltige Mobilität.

Wie steht es mit der Akzeptanz?

Für Velofans wirkt das wie ein wahr gewordener Traum. Doch wie steht die Bevölkerung dazu? Eine Umfrage unter mehreren tausend Schweizerinnen und Schweizern zeigt: National liegen die Pro-Stimmen knapp in Führung, wobei es noch rund 20 Prozent Unentschiedene gab. Die Bevölkerung in der Stadt Zürich befürwortet das Konzept der E-Bike-City mit einer deutlichen Mehrheit – kantonal findet es nur bei 42 Prozent der Befragten Zustimmung, 46 Prozent jedoch sind dagegen.

Albisriederplatz mit und ohne E-Bike-City: Aus der Vogelperspektive. 

Albisriederplatz mit und ohne E-Bike-City: Aus der Veloperspektive. 

Die ETH denkt den Verkehr neu

Davon liessen sich die Forschenden aber nicht entmutigen. Sie untersuchten auch, wie sich politische Massnahmen auf das Verhalten auswirken würden – wie etwa die Verdoppelung der Parkierungskosten und die Internalisierung der externen Verkehrskosten. Hierfür befragten sie 1200 Personen aus dem Kanton Zürich und den Nachbarskantonen. Fazit: Müssten die Autofahrenden die wahren Kosten berappen, würden einige aufs E-Bike umsteigen. Damit wäre eine Reduktion der Wege, die mit dem Auto zurückgelegt werden, von über 50 Prozent auf knapp 30 Prozent möglich – der Anteil an Veloverkehr wäre damit neu bei sagenhaften 35 Prozent.

Bezogen auf das gesamte Verkehrssystem zeigt sich: Sichere Radwege würden einem Grossteil der Bevölkerung nützen, während der Autoverkehr nur punktuell eingeschränkt wäre. Die Erreichbarkeit bliebe erhalten. Das Konzept der «E-Bike-City» weist zudem ein hohes Kosten-Nutzen-Verhältnis auf und könnte sich bereits nach zwei Jahren amortisieren – wenn man es denn wollte.

About The Author

Yvonne Ehrensberger

Geschäftsleiterin Pro Velo Kanton Zürich

Leave a reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Pin It on Pinterest

Share This