Die Critical Mass ist back on track
Die CM, die Stadt – und Pro Velo.
Seit einem halben Jahr rollt die Critical Mass wieder. Dank klaren Auflagen praktisch reibungslos – ein Rückblick mit Ausblick.
Sechs letzte Freitage vom Monat sind vergangenen, seit die Critical Mass in Zürich wieder stattfinden darf. Es waren zuweilen wieder mehrere Tausend Velofahrende unterwegs. Darunter Familien, Migrantinnen, Betagte, Touristen sowie Soundmobile und Menschen auf Spezialvelos. Genau diese kunterbunte Mischung blieb der CM fern, als sie offiziell verboten war.
Zur Erinnerung: In Folge einer politisch motivierten Beschwerde entschied der Statthalter im Juli 2023, dass die Critical Mass in unserer Stadt bewilligungspflichtig sei. Fortan wurde Velofahren in Gruppen am letzten Freitag im Monat durch polizeiliche Repression drastisch eingeschränkt und weitgehend unterbunden.
So viel Energie und Kreativität: Das Velomobil «Das Boot». Credits: Raphael Wild und Lana Laux
Der ausgehandelte Kompromiss
Im Winter 2024 hat Pro Velo Zürich gemeinsam mit Mitgliedern der städtischen Velokommission das Gespräch mit der Sicherheitsdirektion gesucht und sich aktiv für das Fortbestehen der CM eingesetzt. Unsere Arbeit bestand vor allem im Vermitteln zwischen den Bedürfnissen der Velocommunity auf der einen Seite und jenen des Sicherheitsdepartements auf der anderen. Gleichzeitig organisierten wir gemeinsam mit der Velocommunity eine Velodemo für die CM und erhöhten so den Druck von der Strasse.
Der ausgehandelte Kompromiss beinhaltet, dass ein Kollektiv das Gesuch für die kommende CM stellt und die Stadt den Veloverkehr am letzten Freitag im Monat unter Auflagen bewilligt. So muss sich die Masse nach der Besammlung am Bürkliplatz auf möglichst direktem Weg aus dem Kreis 1 bewegen und sie darf im Verlauf des Abends auch nicht mehr in diesen zurückkehren. Zudem ist im Gesuch zu definieren, ob die CM rechts oder links der Limmat fahren soll. Diese Beschränkungen sollen der Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs durch die VBZ dienen.
Das Soundmobil «S’Wägeli» taucht ebenfalls oft an der CM auf. Credits: DJ Oliphono
Die Stadt ist mit der Lösung zufrieden
Das Vorgehen hat sich bis dato bewährt. Auf Anfrage schreibt Karin Rykart, Vorsteherin des Sicherheitsdepartements: «Seit die Critical Mass mit Bewilligung fährt, läuft es gut.» Insbesondere die definierten Zeiten und die Routen in der Innenstadt und der jeweils bewilligte Perimeter hätten dazu beigetragen, dass der Tramverkehr in der Innenstadt wie bei «anderen Demonstrationen» unterbrochen oder umgeleitet werden könne. «Dass es funktioniert, zeigt sich auch darin, dass wir sehr viel weniger negative Rückmeldungen sowohl von den Mitfahrenden als auch von Menschen haben, die mit dem öffentlichen Verkehr oder dem Auto unterwegs sind.»
Hierzu muss man wissen: Demonstrationen führen in der Regel immer zu Behinderungen des öffentlichen wie auch des Individualverkehrs. Im Vergleich zu Demos schneidet die CM jedoch gut ab. Das Sicherheitsdepartement schreibt: «Da die Critical Mass ausserhalb der Hauptverkehrszeiten stattfindet, die Teilnehmenden sich mit den Fahrrädern schnell bewegen und die Route in der Innenstadt definiert ist, halten sich die negativen Auswirkungen in Grenzen.»
In der warmen Jahreszeit lockte die CM wieder viele Velofahrende an. Sie rollt aber im Fall auch im Winter. Credits: Merita
Pro Velo und die CM
Auch wenn immer wieder mal das Gegenteil behauptet wird: Pro Velo Kanton Zürich ist nicht Organisatorin der Critical Mass. Die CM organisiert sich selbst. Wir können sie darum weder absagen noch lenken. Pro Velo sympathisiert jedoch mit der Bewegung. Dies aus gutem Grund. Denn sie nützt den Interessen der Velofahrenden ganz klar. Zwar versteht sich die CM nicht als Demonstration und verfolgt auch keine politischen Ziele. Aber die Critical Mass bringt Menschen aufs Velo, die sich ohne diesen Event nicht aufs Fahrrad wagen würden. In der Masse fühlen sie sich sicher und erleben das Velo mit all seinen Vorteilen. Sie erfahren, dass das Velo Begegnungen mit anderen Menschen ermöglicht. Dass man auf dem Velo im städtischen Umfeld meist schneller unterwegs ist als mit anderen Verkehrsmitteln. Und last, but not least: dass Velofahren unglaublich viel Spass machen kann.
Zudem werden Velofahrende dank der Critical Mass sichtbarer. Nicht nur für andere Verkehrsteilnehmende, sondern auch für die Behörden. Damit steigt der Druck von der Strasse, den Status quo zu verändern. Der internationale Vergleich zeigt: Überall dort, wo es eine kritische Masse an Velofahrenden gibt, verbessert sich die Veloinfrastruktur.
Ist die Critical Mass eine soziale Bewegung? Wir haben die Historikerin Nadine Zberg um eine Einschätzung gebeten.