
Wählt links, wer Velo fährt?

Velofahren verbindet mehr, als die Politik glauben machen will
Links gegen rechts, Velos gegen Autos? Die Realität ist komplexer: Auch viele SVP-Wählerinnen und -Wähler steigen regelmässig in den Sattel.
Vorzugsrouten, Rad-WM oder das ETH-Projekt E-Bike-City: Wenn es ums Velo geht, dann ist Opposition von rechts garantiert. Verfolgt man die Debatten, könnte man meinen, die Gesellschaft teile sich in zwei Gruppen: Velofahrerinnen und Nicht-Velofahrer.
Doch die Realität ist differenzierter. Eine aktuelle Studie der akademischen Forschungsstelle für Velos und aktive Mobilität an der Uni Lausanne (Ouvema) zeigt: Auch Menschen aus dem rechten politischen Spektrum fahren Velo – und zwar deutlich mehr, als ihr Abstimmungsverhalten vermuten lässt.
Der Professor für Mobilitätsgeografie, Patrick Rérat, und der Urbanistikforscher Emmanuel Ravalet analysierten die Daten zum Stimmverhalten bei der Abstimmung über die Veloinitiative 2018. Auf den ersten Blick bestätigt die Studie, was wir vermuten: Die Wählerinnen und Wähler der Grünen fahren am meisten Velo, jene der SVP am wenigsten.

Wählt links, wer Velo fährt?
Doch man könnte die Befunde auch anders lesen: 17 Prozent der SVP-Wählenden fahren täglich Velo, 19 Prozent mindestens einmal pro Woche. Ja, das sind weniger als bei den Grünen (25 bzw. 28 Prozent). Aber: 36 Prozent der Anhängerschaft jener Partei, die Velofahrende zum Feindbild erklärt, fahren regelmässig Velo!
Unter den FDP-Wählenden sind es 40 Prozent – ähnlich viele wie in SP und Mitte. Der Anteil jener, die gar nie Velo fahren, ist bei den Grünen mit 24 Prozent am niedrigsten; bei SP, Mitte, FDP und SVP liegt er zwischen 28 und 36 Prozent.

In jeder Gruppe fährt ein Drittel mit
Rérat und Ravalet untersuchten auch Alter, Bildungsniveau, Einkommen, Sprachregion und Urbanisierungsgrad. Männer fahren eher Velo als Frauen, Jüngere häufiger als Ältere. Rechten dient das Velo eher in der Freizeit, Linken häufiger als Transportmittel. Doch die entscheidende Erkenntnis liegt nicht in den Unterschieden, sondern in den Gemeinsamkeiten: Egal, nach welchem soziodemografischen Kriterium man die Bevölkerung betrachtet – in jeder Gruppe fährt rund ein Drittel Velo. Wir sind uns ähnlicher, als wir denken.
Und doch: Linke, Frauen und Menschen in urbanen Gebieten stimmen eher für den Ausbau der Veloinfrastruktur, Rechte und die Landbevölkerung eher dagegen. Die politische Haltung beeinflusst den Stimmentscheid mehr als die Wahl des Verkehrsmittels.
Noch. Denn in den führenden Veloländern ist die Debatte längst nicht mehr so aufgeladen wie einst. Vielleicht werden auch wir irgendwann so sachlich über Velowege diskutieren, wie wir es schon heute über Fusswege tun.











