Velopolitik im Faktencheck

Velopolitik im Faktencheck

Velopolitik im Faktencheck: ein ernüchterndes Resultat

Der Zürcher Stadtrat gibt sich gerne velofreundlich und lobpreist regelmässig seine Erfolge in der Veloförderung. Aber hält dieses Eigenlob einer Überprüfung auch stand? Pro Velo Kanton Zürich hat nachgeprüft und ist zu einem ernüchternden Resultat gekommen.

Grundlage des Faktenchecks ist die Weisung 2013/444 des Stadtrats vom Dezember 2013 (siehe Weblinks unten). In dieser Weisung wurde die Abschreibung einer Motion beantragt, die durchgehende und sichere Velorouten in der Innenstadt verlangte. Der Stadtrat führte darin tabellarisch 26 Einzelmassnahmen auf, von Grossprojekten wie dem Veloweg ums Seebecken bis zu kleineren Verbesserungen wie Tempo 30 in der Löwenstrasse. Ebenfalls aufgeführt ist der Zeitraum, in dem der Stadtrat die Massnahmen umsetzen will.

Positive Resultate

Von den 26 Massnahmen sind heute, vier Jahre später, gerade mal vier realisiert. Zwei davon (neue Veloverbindung am Central, Veloweg im Seilergraben) schlossen Lücken im Routennetz oder brachten deutliche Verbesserungen.

Zwei weitere (Tempo 30 Löwenstrasse, neuer Radstreifen am Bellevue) lösten höchstens kleine Probleme. So war in der Löwenstrasse nie das Tempo das Problem, sondern die ein- und ausparkenden oder auf freie Parkplätze wartende Autos. Das Bellevue ist immer noch ein komplexer Knoten, der wenig geübten Velofahrenden kaum zugemutet werden kann.

Negative Resultate

Bei vier weiteren Projekten (General-Guisan-Quai/Mythenquai, Utoquai, Bürkliplatz, Kasernenstrasse) liegen wenigstens halbwegs brauchbare Pläne vor, die Realisierung lässt jedoch auf sich warten.
Beim überwältigenden Rest gibt es entweder überhaupt noch keine Pläne oder sie sind blockiert, unter anderem weil die Velomassnahmen den Ansprüchen nicht genügten (Heimplatz).

Übrigens: Kein einziges der vier realisierten Projekte wurde innerhalb des angegebenen Zeitrahmens umgesetzt. Bei den übrigen 22 Massnahmen dürfte der Zeitplan erst recht nicht einzuhalten sein. Bei einem strategischen Schwerpunkt des Stadtrats sollte man deutlich mehr Engagement erwarten können.

Wie sieht die Veloinfrastruktur in Zukunft aus?

Es gibt in Sachen Veloinfrastruktur also wenig Grund zur Freude. Zudem wird auch die angebliche Verdoppelung des Veloanteils am Verkehr (gemäss Mikrozenus 2015) zwischen 2010 und 2015 selbst von Mitgliedern des Stadtrats in Zweifel gezogen. Diese Verdoppelung wird nämlich durch die Zählungen des Tiefbauamtes nicht gestützt. Und selbst wenn: Mit 8 Prozent Veloanteil ist immer noch erst die Hälfte dessen erreicht, was der Stadtrat bis 2025 erreichen will (siehe Masterplan Velo).

Pro Velo fordert:

  • dass der Stadtrat und insbesondere das federführende Tiefbauamt die riesigen Lücken im innerstädtischen Veloroutennetz schliesst,
  • diese Lücken schnell geschlossen werden.
  • die Qualtität der Veloinfrastruktur den eigenen Ansprüchen des Stadtrats genügt.

Dazu ein Zitat aus dem Masterplan Velo: «Breite und Führung [der Velorouten] werden auf grössere Veloverkehrsmengen und -geschwindigkeiten ausgelegt und vermitteln eine hohe Sicherheit.Kurz: Der Stadtrat muss endlich seinen Versprechungen die entsprechenden Taten folgen lassen. Und zwar rasch.

In der Innenstadt wird sich nämlich entscheiden, ob der Stadtrat seine eigenen Ziele erreicht oder ob er an sich selber scheitert.

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6 Comments

  1. Hans

    Interessant ist auch, wie sehr Filippo Leutenegger in der Defensive steckt. Kaum ein Medienbericht, wo auch ungefragt nicht erwähnt wird, dass Züri eben nicht Kopenhagen sei.

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    • Dave Durner

      Stimmt. Deshalb vergleichen wir auch viel lieber mit Konstanz oder Strassburg. Da fällt es ihm schwerer, dagegenzuhalten.

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  2. Jörg

    Die ganze zürcher Velopolitik ist einfach nur konzeptlos und ein unendlicher Flickenteppich, von den unsäglichen und für Fussgänger und Velofahrer gleichermassen gefährlichen Mischflächen gar nicht erst zu sprechen…
    Hoffnung aufgegeben

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  3. Peter Härtli

    Früher hatte die Stadt Zürich einen Veloverantwortlichen namens de Baan, gebürtiger Holländer. Seit seiner Pensionierung traten einige Nachfolger diese Stelle an, aber es geht nichts mehr. Diese Leute sind fachlich überfordert und haben wohl auch keine Befugnisse und kein Gewicht. Weder über “Züri wie neu”, noch direkt an den Veloverantwortlichen gerichtete Anliegen werden ernst genommen. Schade um die vergeudete Zeit und schade für den Lohn, den die Stadt für diese Stelle aufwendet.

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  4. Olivier Christian Kappeler

    Ich bin seit Kindesbeinen an “Velofahrer aus Leidenschaft”. Aufgewachsen in Winterthur und arbeitend in Zürich, fahre ich in beiden Städten Velo. Ich würde auch, wäre die Veloinfrastruktur angemessen, mit meinem S-Ped von Wiesendangen nach Zürich pendeln. Würde deshalb, weil weder die Infrastruktur in Winterthur noch die in Zürich durchgängig sind noch das schnelle Radeln begünstigen. Vielenorts bleibt es über Jahre bei Flickenteppichen statt veritablen Velowegen – wer Rückenprobleme hat, hört von selbst auf, dort Rad zu fahren. Die Politiker wollen die Leute weg vom Velo “erziehen”. Oft der richtige Ansatz. Aber ohne adäquate Infrastruktur ist das Zwängerei. Den politischen Bekenntnissen müssen ENDLICH Taten in Sachen Velorouten folgen.

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  5. Beat

    Interessanter Artikel.
    Auch in der Innerschweiz sieht es ähnlich aus…

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